Hannah ist dreizehn und hat vor kurzem ihre Mutter verloren.
Ihre ganze Kindheit hindurch war Danny ihr bester Freund gewesen, nur in
letzter Zeit hat sich irgendetwas verändert – und plötzlich ist er spurlos
verschwunden. Nach drei Jahren geschieht das Unglaubliche: Danny kehrt zurück!
Aber warum ist er so verändert? Wo war er? Was hat er erlebt? Die Thematik
klingt spannend und hat zweifellos viel Potenzial; angeblich liegt ihr eine
wahre Begebenheit zugrunde.
Um es gleich vorwegzunehmen: Die Umsetzung bleibt weit
hinter ihren Möglichkeiten zurück. Der erste Teil des Romans beschreibt
lediglich, wie Hannah und Dannys Familie verzweifelt nach ihm suchen, auf ein
Lebenszeichen von ihm hoffen und einander Halt geben. Dabei bleibt die
Ich-Erzählerin Hannah farblos und uninteressant. Sie hat keine Hobbys, keine
Freunde, keine Besonderheiten. Den Großteil ihrer Zeit verbringt sie damit,
sich um Dannys behinderte kleine Schwester Alice zu kümmern. Sie ist angepasst
und äußert nur selten eine eigene Meinung – nur wenig
Identifikationsmöglichkeiten für lesende Teenager also.
Leider bleiben alle Figuren so blass. Über die Umrisse geht
die Charakterisierung an keiner Stelle hinaus. So wird an keiner Stelle deutlich,
was die am Down-Syndrom erkrankte Alice von gesunden Kindern unterscheidet: Jeder
liebt sie, der Alltag mit ihr ist offensichtlich total unproblematisch – wozu dann
überhaupt die Erwähnung ihrer Behinderung?
Es dauert geschlagene 150 Seiten, bis überhaupt mal ein
bisschen Spannung aufkommt. Plötzlich ist Danny nämlich wieder da. Aber alle
Hoffnung, dass die Story nun in Fahrt kommt, bleibt vergebens. Danny ist
seltsam, verhält sich verdächtig, hat sich auch äußerlich sehr verändert. Fast
schon mit dem Holzhammer wird der Leser auf die Spur gebracht, dass dieser
Danny nicht derselbe ist, der vor drei Jahren verschwunden ist, und man wundert
sich bloß, warum seine engsten Angehörigen (mit Ausnahme der kleinen Alice und
des Familienhundes) das nicht kapieren.
Weitere zähe 130 Seiten später findet auch Hannah endlich die
notwendigen Beweise: Der angebliche Danny ist ein Schwindler. Man hofft also
zumindest auf ein grandioses Finale, eine tolle Geschichte, die hinter diesem
Lügenspiel steckt – und wird erneut enttäuscht. Die Auflösung ist so
haarsträubend unrealistisch, platt und konstruiert, dass man sich eigentlich
nur über die vergeudete Zeit ärgern kann.
Emma Haughton: Mein fremder Freund, cbj-Verlag, 348 Seiten, 8,99 Euro
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