Dieser Roman entführt den
Leser nach Italien, an den Wohnsitz einer wohlhabenden Familie, die durch den
Handel mit Kupfer zu Macht und Reichtum gekommen ist. Zur Beerdigung des alten
Lu, der bisher die Zügel fest in der Hand gehalten hatte, reisen alle Pedettis
an – nicht nur, um ihm die letzte Ehre zu erweisen, sondern auch, weil es die
Pfründe neu zu verteilen gilt.
Für den 17-jährigen
Giacomo ist der Verlust seines Vaterersatzes bitterer als für die meisten
anderen Verwandten. Doch er wird von seiner Trauer abgelenkt, als seine Cousine
und liebste Spielgefährtin aus Kindertagen Felia mit ihren Eltern eintrifft –
nun allerdings als Felice und mit eindeutig männlichem Erscheinungsbild.
Felices neue Identität
sorgt innerhalb der Familie Pedetti für mehr Aufruhr als der Tod des greisen
Oberhauptes. Es scheint, als sei Giacomo der Einzige, der sich für Felice
einsetzt und ihn verteidigt. Durch geschicktes Taktieren und das Ausspielen der
machthungrigen Erben gegeneinander gelingt es ihm schließlich, Felices Position
innerhalb der Dynastie zu stärken – und sein Herz zu gewinnen.
Haus aus Kupfer erzählt
abwechselnd aus Giacomos und Felices Perspektive und erzeugt damit eine Identifikation
mit beiden Protagonisten. Felices Transidentität und die Widerstände seiner
Mitmenschen gegen seine „Verwandlung“ werden eindringlich und nachvollziehbar
geschildert. Auch Giacomos Verwirrung ist glaubwürdig dargestellt: Der erklärtermaßen
schwule Junge hatte sich schon zu Felice hingezogen gefühlt, als dieser noch im
Körper eines Mädchens lebte.
Die Ränke und Intrigen
rund um die Erbfolge geben dem Roman seinen Rahmen, doch aufgrund der Vielzahl
der Verwandten und ihrer geschlossen negativen Grundhaltung fällt es streckenweise
schwer, sie als Individuen wahrzunehmen und auseinanderzuhalten. Die grantige
Zita und ihr Schatten Eva bilden da eine angenehme Ausnahme.
Die Erzählperspektive
wechselt häufig und in unregelmäßigen Abständen; ein Wechsel wird jeweils durch
den Namen desjenigen Protagonisten angekündigt, der im Folgenden berichtet. Da
beide Ich-Erzähler im selben Alter sind und auf derselben Seite der Ereignisse stehen,
habe ich dabei gelegentlich den Überblick verloren. Auch sprachlich
unterscheiden sich die Passagen nicht erkennbar voneinander.
Dennoch liest der Roman
sich gut: Der Stil ist flüssig, die Formulierungen frei von abgedroschenen
Klischees, es gibt kurze, prägnante Sätze und elegante, verschachtelte
Konstruktionen, welche die traditionsbewusste, etwas dekadente Atmosphäre im
Stammsitz der italienischen Kupferdynastie gelungen widerspiegeln.
Der Roman gibt einen
umfassenden und sehr persönlichen Einblick in die Transidentität. Bei einem
derart komplexen Thema kann zwangsläufig nur ein Teil aller damit verbundenen
Dilemmata angesprochen werden, doch dies hat Jobst Mahrenholz sensibel,
nachvollziehbar und authentisch getan. Felices schwieriger und oft
schmerzlicher Weg in sein wahres Ich wird auch diejenigen Leser packen, die
sich mit Transgender-Fragen bisher nicht beschäftigt haben, und die zarte, fragile
Liebesbeziehung zwischen ihm und Giacomo ist berührend.
Jobst Mahrenholz: Haus aus Kupfer, Dead Soft Verlag, 244 Seiten, 11,99 Euro
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