Wer nicht liest, geht unter – Euro Pride Convention in Berlin, Tag 2



Auch der zweite Tag der Euro Pride Con 2016 bot mehr interessante Diskussionsforen, Workshops und Autorenlesungen, als man wahrnehmen konnte – er war prall gefüllt mit leckeren Häppchen, die teilweise parallel stattfanden und sich im Programmheft alle verlockend anhörten.

Gerade die Lesungen der Autoren hätten mich sehr gereizt, doch fanden sie immer zeitgleich mit Gesprächen über ebenso reizvollen Themen rund um die LGBT-Literatur statt.


Die Diskussionsrunde zum Thema Übersetzungen mit Julia Schwenk, Neus Casas und Feliz Faber (v. l. n. r.) bot Einblicke aus zwei verschiedenen Perspektiven. 



Julia als Inhaberin des Cursed-Verlags wies auf einen eklatanten Mangel an wirklich guten Übersetzern hin. Gerade jene mit einer abgeschlossenen Ausbildung oder einem Studium lieferten häufig die mangelhafteste Arbeit, weil sie viel zu technisch an die Aufgabe herangingen. Spätestens bei Sexszenen versagten die meisten kläglich, denn hier ist besonderes Feingefühl verlangt.

Der Dreamspinner-Verlag dagegen kann mit Neus und Feliz zumindest zwei begabte Übersetzerinnen vorweisen. Während Neus sich ganz offiziell auf ein Stellenangebot beworben hat, verlief Feliz‘ Weg zu diesem (Neben-)Job ein bisschen verschlungener: Sie hatte dem Verlag zunächst selbst verfasste Texte angeboten.  

Einig waren sich alle drei, dass es für einen guten Übersetzer unerlässlich ist, außerordentlich viel zu lesen, und zwar in beiden Sprachen. Denn übersetzen heißt nicht nur, ein Buch in eine andere Sprache zu übertragen, sondern auch die Stimme des Autors sowie die Besonderheiten der Ausgangssprache zu berücksichtigen.



Originell, aber nicht allzu inhaltsschwer gestaltete sich die Frage- und Antwortstunde mit dem amerikanischen Autor Andrew Grey und seinem Ehemann Dominique. Auch hier ging es wieder hauptsächlich um Trivia, reizend, aber nicht unverzichtbar. Immerhin wissen wir nun, dass die beiden seit 20 Jahren glücklich verheiratet sind, Antiquitäten sammeln und sich auch die Arbeit an Andrews Romanen teilen, denn Dominique schreibt sie sozusagen ins Reine.

Für Autoren gilt übrigens, wie Andrew auf die Frage nach seiner eigenen Lektüre erklärte, dasselbe wie für Übersetzer: Wer nicht lese, auch und gerade außerhalb des eigenen Genres, der stagniere und gehe unter. 

Mich persönlich hat der Einblick in Andrews Arbeitsalltag fasziniert. Er beschränkt die Zeit zur Beantwortung von Mails oder für Online-Aktivitäten auf rund anderthalb Stunden am Morgen. Danach schaltet er seinen Internetzugang ab und widmet sich, einem recht festen Zeitplan folgend, ausschließlich dem Schreiben. Beneidenswert – und konsequent!



In der Diskussionsrunde zu Originalität des Schreibens waren L. A. Witt, Meraki P. Lyhne, Monika de Giorgi und T. J. Masters (v. l. n. r.) überwiegend auf Fragen des Publikums angewiesen, denn zum Einstieg in das Thema konnten sie keine allzu neuen Erkenntnisse vermitteln: dass Originalität vom Genre abhänge und sich auf Figur, Setting oder Szene beziehen könne; dass man sich beim Schreiben keine Beschränkungen von außen auferlegen lassen darf; dass oft jahrelange Recherche notwendig ist, um tief genug in ein Thema einzutauchen oder dass der unbedingte Wille, für den Markt zu schreiben, in aller Regel zu schlechten Büchern führe.

Eine Leserin hielt dagegen, dass nicht jeder Text zwangsläufig originell sein müsse. Manchmal wolle man doch auch einfach nur unterhalten werden und sich womöglich gar nicht auf Experimente einlassen.

Wie gehen die vier Autor(inn)en denn nun vor, um Originalität in ihre Romane zu bringen? L. A. Witt macht ihren Figuren gerne das Leben zur Hölle, um die Story in Gang zu setzen, Meraki beobachtet Menschen auf Bahnhöfen und schreibt Kurzgeschichten mit ihren Figuren, um sich ihnen zu nähern, Monika verwertet scheinbar nebensächliche Alltagseindrücke, und T. J.s Figuren basieren oft auf Menschen, die er persönlich kennt. 

Sehr viele Details aus dem Autorenleben, die in dieser Fülle vielleicht nicht mehr aufgenommen werden konnten – darauf deutete zumindest ein Blick ins Publikum hin, das zu dieser fortgeschrittenen Stunde ganz überwiegend mit Laptops oder Handys beschäftigt war.



Zur Abschlussveranstaltung kamen dennoch fast alle noch einmal zusammen, was ich ebenso erfreulich wie überraschend fand; immerhin haben viele eine sehr weite Heimreise vor sich. Vielleicht war die angekündigte Verlosung der Grund dafür, aber zuvor war eine fleißige und engagierte Beteiligung bei der Evaluation zu verzeichnen.

Kritikpunkte waren in erster Linie solche, die ich uneingeschränkt teile: fehlende Informationen über die Teilnehmer der Diskussionsrunden, keine Kennzeichnung der Schwerpunkte dieser Foren (eher für Autoren oder eher für Leser?) und die mangelhafte Koordination der Vorab-Informationen über die Website.

Mich persönlich hat zudem gestört, dass die von mir im Vorfeld abgegebenen Swag-Bag- und Verlosungsmaterialien des Dead Soft Verlags entweder gar nicht oder erst auf sehr nachdrückliche Bitte ihrem Zweck zugeführt wurden. Die rund 100 Kugelschreiber und der Stapel Flyer sind in nicht nachvollziehbaren Kanälen verschwunden, aber die Umhängetasche und zwei Bücher fanden nach meiner Intervention doch noch ihren Platz auf dem Losgewinner-Tisch.

An dieser Stelle danke ich Simon Rhys Beck und dem Dead Soft Verlag sehr herzlich dafür, mir die Teilnahme an der Euro Pride Con zu ermöglichen!

Es gab verdientes Lob und eine Reihe bemerkenswerter Tipps und Anregungen für die Organisatoren: eine Diskussion mit Lesern, eine mit Bloggern, Namensschilder für die Redner, eine deutlichere Kennzeichnung jener Teilnehmer, die nicht fotografiert werden wollen, und eine Blogliste im Programmheft. Eine spontan durchgeführte Abstimmung ergab, dass eine große Mehrheit der Teilnehmer gerne wieder mit der Gesprächsrunde zum Thema Vielfalt beginnen möchte.  


Unter großem Applaus konnten Dani Elle, Marc Fleischhauer und T. J. Masters verkünden, dass die nächste Euro Pride Con definitiv am 24. und 25. Juni 2017 wieder im Hotel Berlin, Berlin stattfinden wird. 

Save the date! 

Kommentare

  1. Hey :) Die Flyer und Kugelschreiber sind in den Swag Bags. Habe selber einige davon in diese gepackt :)

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  2. Hi, it was nice meeting you and after some research I've actually even found your blog :)
    I just wanted to point out to you that Meraki P. Lyhne is wearing a red clip on her lanyard, you can see it a part of it just over the edge of the table.
    So yes, more visible next year would be a good thing.
    Liebe Grüsse
    Sunne

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  3. I made it in your blog! *blush* But it is true you know, I do not always want something new. I do not mind another werewolf story as long as it is reasonably well written and entertaining. Maybe my next read will be something new and edgy but not when I just want something fun and fluffy on a Sunday afternoon.

    The reason I started reading in English all this years ago is because I was annoyed with some of the translated book I read (in Dutch). They were just rubbish and wrong.
    And you know it would be plain weird to read m/m in Dutch. It does not feel right.

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