Heute lag es im Briefkasten: das erste, druckfrische Vorab-Exemplar meines neuen Romans
Meine Mutter, sein Exmann und ich. Traditionell werde ich es wieder für alle
kommenden Lesungen nutzen, von denen bereits einige auf dem Terminplan stehen.
Bald sieht es also nicht mehr so makellos aus wie auf dem Foto, sondern ihm wachsen kleine bunte Zettelchen aus den Seiten, und überall hat es handschriftliche Streichungen, Anmerkungen und Notizen.
Doch auch beim achten Buch ist man noch stolz und glücklich. Übrigens: Es ist wieder ein Junge! Diesmal einer, der eine ungewöhnliche Familiensituation erlebt. Denn Joschkas Mutter ist ein Transmann, heißt jetzt Frederik und trägt einen Bart. Wie soll Joschka das seinen Freunden klarmachen?! Verheimlichen erweist sich als keine besonders praktikable Idee.
Für alle, die nicht bis zum Verkaufsstart am 10. März oder bis zu meinen ersten Live-Lesungen warten wollen, hier schon mal eine Leseprobe:
In der
ersten Stunde haben wir Deutsch, und Frau Schramm-Bassermann erzählt uns was
von einem landesweiten Schulwettbewerb zum Thema „Toleranz“. Emma ist natürlich
direkt hellwach. So was ist genau ihr Ding. „Wir könnten doch eine Inforeihe
über LGBT machen“, schlägt sie vor.
„Über
was?“, fragt Niklas.
„LGBT“,
wiederholt sie, langsam, zum Mitschreiben. „Lesbian, Gay, Bisexual und
Transgender.“
Für eine
Sekunde herrscht Stille, dann reden alle durcheinander. „Über Lesben und
Schwule?“ – „Und was sollen wir da machen?“ – „Müssen wir da alle in Rosa
kommen?“ – „Was heißt das denn genau?“ – „Da hab ich keinen Bock drauf.“ Tom
und Luca tun so, als würden sie einander verliebte Kusshändchen zuwerfen,
Svenja und Charlene beugen sich kichernd über ein unter der Bank verborgenes
Handy, Jan kritzelt gelangweilt auf einem Blatt Papier herum, und Lea kreischt
total hysterisch: „Mann, du Arsch!“, und schiebt mit dem Unterarm Mesuds Hefter
vom Tisch. Der Geräuschpegel ist kurz vor der Schmerzgrenze.
Ist mir
nur recht. So habe ich ein bisschen Zeit, den Schock zu verarbeiten. Ich kenne
dieses Kürzel nicht, das Emma da genannt hat, aber „Transgender“ hab ich
verstanden. Und das genügt, dass mir der Schweiß ausbricht. Wenn ich an so
einem Projekt teilnehme, sieht mir garantiert jeder sofort an, dass ich
persönlich von dem Thema betroffen bin. Noch ehe überhaupt irgendeine
Entscheidung gefallen ist, grüble ich schon darüber nach, wie ich mich
rausziehen kann.
„Wir
könnten doch eine Rednerin oder einen Redner einladen“, schlägt Emma vor.
„Persönlich Betroffene, die aus ihrer eigenen Erfahrung berichten. Entweder
reden sie frei, oder wir machen mit ihnen ein vorbereitetes Interview.“
„Und wo
kriegen wir die her?“, fragt Charlene mit skeptischem Stirnrunzeln.
„Na, das
wird doch wohl nicht so schwer sein!“ Kimberley hat sich bereits von Emmas
Schwung mitreißen lassen. „Jeder kennt doch wohl einen Schwulen oder eine
Lesbe!“
Zustimmendes
Nicken und Murmeln. Dann sagt Steven: „Ja, aber eine Transe? Also, ich kenn
keine!“
„Deine
Mudda“, sagt Tom und erntet einen allgemeinen Lacher, während sich mir der Hals
zusammenschnürt.
„Achtet
mal bitte ein bisschen auf eure Wortwahl“, ermahnt uns Frau Schramm-Bassermann.
„Eine Transe ist ganz schön
abwertend, Steven. Und es impliziert eine weibliche Person.“
„Wieso,
die wollen doch Frauen sein, oder?“, verteidigt Steven sich.
Emma
verdreht die Augen und schüttelt resigniert den Kopf.
„Es geht
überhaupt nicht ums Wollen“, erklärt Frau Schramm-Bassermann mit angestrengter
Geduld. „Transsexuelle Menschen fühlen sich nicht ihrem biologischen, sondern
dem anderen Geschlecht zugehörig. Das kann übrigens ohne Weiteres auch das
männliche sein.“
Hab ich
mir das jetzt eingebildet, oder hat sie mir dabei einen ganz schnellen
Seitenblick zugeworfen? Ich merke, wie mir das Blut in den Kopf schießt. Das
kann sie doch nicht wissen, oder? Hat sie mich mal mit Frederik zusammen
gesehen? Verdammt. Verdammt. Verdammt!
„Ich hab
gelesen, dass es auch so was wie ein drittes Geschlecht gibt“, wirft Lea ein.
„In Dänemark gibt es das sogar ganz offiziell.“
„Schweden“,
korrigiert Michelle.
„Hä? Und
wieso nur da?“, fragt Boris.
Ich sehe
ihn überrascht an. Dass Boris sich für die flächendeckende Einführung eines
dritten Geschlechts einsetzt, ist ja echt eine Überraschung. Oder macht er das
mir zuliebe? Weiß er etwa auch was? Mein Kopf wird noch heißer. Ich sehe
bestimmt aus wie ein Feuerlöscher.
Aber sein
Einwand war gar nicht so von Toleranz geprägt, wie ich angenommen hatte, denn
er präzisiert: „Ich meine, Transen gibt’s doch überall auf der Welt, oder?“
Unter dem strafenden Blick unserer Deutschlehrerin verbessert er sich hastig:
„Transsexuelle Menschen“, woraufhin Niklas albern kichert.
„In
Schweden ist die Gesetzgebung eben fortschrittlicher als anderswo“, erklärt
Frau Schramm-Bassermann.
„Wieso
Gesetzgebung?“ Mesud guckt total verwirrt. „Ist das da Pflicht, oder wie?“
Bin richtig gespannt. Habe das Buch bereits seit längere zeit vorbestellt und warte ungeduldig auf die Zustellung.
AntwortenLöschenWeiterhin viel Erfolg
Lena
Die Leseprobe macht schon wieder einmal Lust auf "mehr"! Bestimmt ist es wieder ein Buch von Dir, welches ich nicht weglegen kann, bevor ich es ausgelesen habe.
AntwortenLöschenWeiter so!
Ganz liebe Grüße
Thomas