Hier spielt die Musik: Goa Jonas und Antaris


70 bis 95 DJs lösen einander beim Antaris Project alljährlich auf zwei Floors parallel ab, rund um die Uhr. Der Partygast erwartet nicht nur ein hochkarätiges Line-up, sondern auch möglichst fließende Übergänge zwischen den einzelnen Künstlern, und er will bei einem Wechsel vom Main zum Alternative Floor oder umgekehrt einen erkennbaren Unterschied des Musikstils erleben. 

Aus der ganzen Welt werden die DJs für dieses Festival eingeflogen. Manche von ihnen – diesmal zum Beispiel auch Ace Ventura – haben am selben Wochenende noch andere Gigs und daher einen engen Zeitrahmen, andere stellen spezielle Anforderungen an ihre Unterkunft, an die Verpflegung oder an die Technik. Für die Koordination all dieser Aufgaben ist bei der Antaris ein einziger Mann verantwortlich, und der legt zwischendurch auch noch selbst auf: Goa Jonas.



Der 34-Jährige hat ein Leben hinter sich, das guten Romanstoff böte. Als Siebenjähriger zog er mit seiner Mutter nach Goa und wechselte dort innerhalb der nächsten acht Jahre 22 Mal den Wohnsitz, denn die Familie hatte kaum Geld und konnte sich nicht immer gemietete Räume leisten. Einen Teil dieser Zeit verbrachte Jonas in einer selbst gebauten Bambushütte, einen anderen in einer Höhle am Strand, die bei Regen allerdings nur den Oberkörper und nicht die Beine trocken hielt. Er und seine Geschwister mussten Kuhdung sammeln, der dann mit Wasser vermischt und mit einem Besen aus Gräsern am Boden verteilt wurde, wo er nach dem Aushärten einen stabilen Untergrund bildete.

Manchmal konnte die Familie aber auch als Housesitter in eins der monatelang leer stehenden Strandhäuser reicher Ausländer ziehen. Dann hatte Jonas wenigstens Strom für seinen Kassettenrekorder - und mit dem begann er ab dem zwölften Lebensjahr seine DJ-Laufbahn am Strand von Goa.

Foto: privat
Hier lernte er auch Uwe Siebert kennen, den kreativen Kopf des Antaris-Festivals.


Als Jonas fünfzehn war, besuchte er seinen Vater in Deutschland. Er kehrte nicht mehr nach Indien zurück. Stattdessen nutzte er die Gelegenheit, um hier seinen Schulabschluss und eine Ausbildung zu machen. In seinem Lehrberuf als Screen Design Assistant hat er allerdings nicht lange gearbeitet, stattdessen eignete er sich umfassende Kenntnisse über Kaffee an und wurde zu einem erfolgreichen Barista.


Koffein ist sicher nicht die schlechteste Lösung, wenn er zusätzlich als DJ Goa Jonas durch die Welt reist. Allein im letzten Jahr hat er innerhalb von anderthalb Monaten auf zwölf Festivals aufgelegt, insgesamt hat er rund 1000 Auftritte hinter sich. Sehr stolz ist er darauf, mit Raja Rams TIP Records nun auch ein renommiertes Label zu haben.

Auf der Antaris legt Goa Jonas seit 1999 auf. Schon nach dem ersten Gig gab Uwe dem damals 15-Jährigen einen Bonus auf die vereinbarte Gage, weil es so gut gelaufen war. In späteren Jahren verkaufte er auf dem Festival auch noch Pizza und musste dann für sein Set den Holzofen verlassen. Seine schönste Erinnerung: wie einmal bei grauem Wetter ausgerechnet während seines Auftritts plötzlich die Sonne durchbrach. Wenn man ihn persönlich erlebt, überrascht einen das nicht.

Foto: Pawel Wieloch

Zur 20. Antaris wurde Jonas dann „einfach reingeworfen“, wie er sagt: Seit 2014 ist er als Booking Agent für die komplette Koordination der DJs zuständig. Auch hier hat sich Uwes ausgeprägtes Gespür für Talente wieder bewiesen. Man kann sich kaum einen Besseren als Jonas für diese ungeheuer anspruchsvolle und komplexe Aufgabe vorstellen.

Das Line-up für ein Festival ist meist bereits im September oder Oktober fertig. Jonas erstellt umfangreiche Listen und Tabellen, in denen er sämtliche Daten festhält, von der Flugnummer über die Ankunfts- und Abreisezeiten, die Einteilung des Shuttlefahrers, der zwischen Tegel und Stölln pendelt, die Länge des Sets und die besonderen Wünsche des DJs bis hin zur Nummer des Crewzeltes, in dem er seinen Schlafplatz findet – und dabei wird sogar noch berücksichtigt, wer gerne in wessen Nähe untergebracht sein möchte.


„Es ist jedes Jahr ein neues Abenteuer“, sagt Jonas. Total Eclipse zum Beispiel werden dieses Jahr um 10 Uhr aus Zürich kommend landen, legen von 14 Uhr bis 15.30 Uhr auf und müssen um 20.30 Uhr wieder am Flughafen sein. Bei derart straffen Zeitplänen stellt jede Verzögerung eine kleine Katastrophe dar, aber keine, die Jonas nicht in den Griff bekäme: „Im letzten Jahr waren 80 Prozent der Flüge verspätet. Da musste dann manchmal spontan ein Künstler ausgetauscht werden.“ Auch das meistert der Booking-Chef souverän.


Einzig sein Bühnenauftritt zur Eröffnungsrede bringt Jonas immer wieder an die Grenze. Er hat Lampenfieber und ist vorher extrem aufgeregt. „Uwe hat’s richtig drauf, der ist ein Kämpfer, der macht immer weiter, und der kann mit den Leuten reden. Für mich ist Redenhalten das Schwerste. Ich bin sehr schüchtern.“

Dass Goa Jonas sich trotzdem jedes Jahr wieder dazu überwindet, hat einen guten Grund. „Leute glücklich zu machen ist mein Lebensmotto, ob mit Musik oder mit Kaffee. Wenn du über die Antaris fährst und überall die lachenden Gesichter siehst, das Leuchten in den Augen – dann kriegst du eine Gänsehaut.“






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