Gastbeitrag von Undine Günther: Glanz oder gar nicht (Teil 2)



Es roch nach Rauch, als hätte jemand ein Lagerfeuer gemacht, das schon seit Tagen nicht mehr brannte. Die Sonne warf schmale Streifen auf den Boden, über denen Staub auf und ab stieg. Es kam mir vor, als bliebe für einen Moment die Zeit stehen. Hinter mir knallte die schwere Tür ins Schloss, und ich ging einige Meter in den langen Flur hinein. „Hallo?“ Meine Stimmte hallte von den hohen weißen Wänden wider. Der Flur öffnete sich in ein Wohnzimmer, in dessen Mitte eine große Holzschale lag. Darin befand sich ein Schlüsselbund. Ich sah mich um, als ich ihn herausnahm, als täte ich etwas Verbotenes, und richtete mich auf.

Überall im Raum lagen Zettel auf dem Boden. Manche waren zerknüllt, manche zerrissen. Aber einige waren auch noch intakt. Ich hob einen davon auf. Es war ein Gehaltsnachweis, an dessen Ende eine Summe stand, die so viele Nullen aufwies, dass ich zweimal nachzählen musste. Ich hob eines der zerknüllten Blätter auf, und auch dieses war ein Gehaltsnachweis, mit der gleichen Summe darauf. Behutsam legte ich die Papiere auf einen kleinen Tisch, als handle es sich dabei um ein zerbrechliches Fossil.

Ich hatte meinen Finger durch den Ring des Schlüsselbundes gesteckt und bog um die Ecke. Dort entdeckte ich die Quelle des Rauchgeruchs: ein in die Wand eingelassener Kamin. Das Holz darin war schwarz, ein Teil davon auf den beigen Teppich gefallen. Das Feuer war, wie schon der Geruch angedeutet hatte, lange erloschen. Ich trat näher, schlängelte mich um den feinen Ruß, damit er sich nicht in den Teppich grub, und blickte in den Kamin. Ich wusste nicht, was ich erwartet hatte, aber was ich dort vorfand, überstieg meine Vorstellungskraft.

Neben Kleidung und kleineren Haushaltsgegenständen blitzte mir etwas aus der hintersten Ecke entgegen. Mein Handrücken berührte die Seite des Kamins, als ich sie danach ausstreckte, und war sofort von schwarzen Flecken übersät. Meine Finger schlossen sich um ein Armband. Seinen Wert konnte ich trotz des Rußes sofort erkennen. Sacht strich ich darüber. Es war aus Gold, an seiner Oberseite prangten Diamanten.

Ich musste mich abstützen, als ich aufstand. Hinter mir stand ein massiver Holztisch, schlicht, mit dicken Beinen, an dem ich mich hochzog. Ich legte das Armband beinahe geräuschlos darauf ab. Den Ruß hatte ich mit dem Hemdärmel davon entfernt, und es schimmerte in der Sonne. Ehrfürchtig sah ich es an und ging einen Schritt zurück. Mein Blick glitt über den Tisch und blieb an einem Schmuckkästchen hängen. Es war weit geöffnet und leer. Der samtene, rote Stoff hing heraus, und ich stellte mir vor, wie sie es aufgerissen und all ihren Schmuck mit einem Schwung im Kamin versenkt hatte.

Der Tisch war zudem übersät von Zeitschriften, aufgeklappt lagen sie übereinander. Ich konnte einige Reisekataloge erkennen, doch hauptsächlich waren es National Geographics. Der Schlüssel klimperte, als ich ihn hin und her schwenkte und mir die Kataloge ansah. Mein Blick blieb an einem Bild hängen, auf dem ein türkisblauer See abgebildet war, umringt von hohen Tannen. Es war mit einem roten Filzstift großräumig umkreist worden und einige Stellen in der Beschreibung darunter unterstrichen.

Plötzlich schob sich eine Wolke vor die Sonne, und alles um mich herum wurde in ein dunkles Grau getaucht. Ich presste den Schlüssel an meine Brust, als wäre er die Berechtigung für meine Anwesenheit in diesem prachtvollen Haus. Vielleicht könnte ich ein paar Tage hierbleiben. Vielleicht sogar für immer. Vor mir lag die Fensterfront, die ich all die Zeit immer nur von der anderen Seite betrachtet hatte. Mein Körper fühlte sich leicht an, und meine Beine trugen mich direkt dorthin. Im Vorbeilaufen nahm ich das Armband, und innerhalb weniger Sekunden stand ich so dicht vor dem Fenster, dass ich meinen Atem daran abprallen und sanft in mein Gesicht zurückströmen spüren konnte.

Wie oft hatte sie hier gestanden? Wie oft hatte ihr eigener Atmen die Fensterscheibe berührt und war zurück in ihr Gesicht geblasen worden? Langsam hob ich die Hand und legte sie ans Glas. Genau hier. Meine Augen schlossen sich, und ich stellte mir vor, wie sie neben mir stand, wie wir gemeinsam nach draußen sahen in unseren Garten, der unser Heim umschloss wie eine plätschernde Quelle.

Ich spürte einen Druck in meiner Brust und öffnete die Augen. In der Ecke lag das Kissen des Hundes. Ich konnte die vielen Haare sehen, die er darauf hinterlassen hatte. Wie in Trance ließ mich darauf nieder, und es umhüllte mich schützend. Ich sah nach draußen, das Armband in meiner Hand kreisend wie ein Mantra. Ein kleiner Junge, der an der Hand seiner Mutter lief, sah mich an und winkte mir zu. Ich wollte die Hand heben, ich wollte ihm winken, doch ich konnte nicht. Ich sah sein Staunen über das Haus, von dem er dachte, dass es mir gehörte, über den Garten, der so viel Platz zum Spielen bot. Ich presste meine Hand fest zusammen, sodass das Armband in meine Haut schnitt. Ich konnte mich atmen hören, ich hörte das Blut in meinen Ohren rauschen. Dann wurde mir kalt.

Mein Blick streifte über die Bäume und das saftige Gras. Dort im Park schien die Sonne, und obwohl ich ihre Strahlen auf meiner Haut sah, wusste ich, dass sie hier drinnen nicht schien und es noch nie getan hatte.

Kommentare