Als dem Londoner
Privatdetektiv Cormoran Strike ein abgetrenntes Frauenbein in einem Paket
zugeschickt wird, fallen ihm auf Anhieb mehrere mögliche Absender ein. Drei
davon sind ihm aus seiner Vergangenheit bekannt und in übelster Erinnerung: der
ehemalige Soldat und Boxer Donald Laing, den Strike ins Gefängnis gebracht hat,
der Vergewaltiger und Kinderschänder Noel Brockbank und der frühere Liebhaber
und mutmaßliche Mörder seiner Mutter Jeff Whittaker.
Gemeinsam mit seiner
Assistentin Robin Ellacott begibt er sich auf die Spuren der drei Verdächtigen.
Sie ausfindig zu machen erfordert bereits große Mühe, denn keiner von ihnen
geht einem geregelten Tagesablauf nach, und jeder Einzelne hat gute Gründe, sich
im Verborgenen zu halten. Auch sie zu observieren und im Auge zu behalten
bringt Robin und Strike mehr als einmal an ihre Grenzen. Und wie sollen sie
nachweisen, dass einer von ihnen der Versender des Frauenbeins ist?
Inzwischen wird die
Leiche der jungen Kelsey gefunden, der (nicht nur) das Bein abgetrennt wurde. In
den nächsten Monaten werden immer wieder junge Frauen bestialisch ermordet,
verstümmelt und zerstückelt. Strike steht unter Druck, denn der Täter will sich
nicht nur an ihm persönlich rächen, sondern bedroht auch seine Assistentin.
Wie bereits in den beiden
vorangegangenen Cormoran-Strike-Romanen von Robert Galbraith lebt auch der Plot
von Die Ernte des Bösen zu einem
Großteil von der erotischen Spannung zwischen dem Detektiv mit der Beinprothese
und der jungen Robin, die mitten in den Hochzeitsvorbereitungen steckt, sich
dann aber nach einem bösen Streit von ihrem Verlobten trennt. Weder Cormoran
noch Robin sprechen die Gefühle aus, die sie füreinander haben – sie gestehen
sie sich nicht einmal selbst ein. Dennoch werden ihre Reaktionen und
Entscheidungen nur allzu oft weniger von der Vernunft als vom Wunsch geprägt,
dem jeweils anderen zu gefallen.
Für zusätzliche Spannung
sorgen die Einschübe aus der Sicht des anonymen Mörders, in denen die Überfälle
auf die jungen Frauen und die Gewaltexzesse recht drastisch geschildert werden.
So erhält der Leser dem Ermittlerduo gegenüber einen Informationsvorsprung und
kann sich in Gedanken selbst an der Jagd nach dem Täter beteiligen.
Ein weiteres recht
skurriles Spannungs- und Strukturelement sind die Songtitel und Textauszüge der
amerikanischen Hardrock-Band Blue Öyster Cult, die jedes einzelne Kapitel
einleiten und auch als Verdachtsmoment eine Rolle spielen.
Ähnlich wie die Verweise
auf die Band und ihre Texte sind auch die im Roman erwähnten Orte und
Ereignisse alle bewundernswert akribisch recherchiert, von der Baustelle auf
der Tottenham Court Road über den Pub in Melrose bis hin zur Hochzeit von Prinz
William und Kate Middleton. Natürlich versteht Robert Galbraith alias Joanne K.
Rowling sein/ihr Handwerk und schafft es darüber hinaus, alle Sinne des Lesers
mit einzubeziehen: Man riecht das aus der Propanflasche austretende Gas, hört
das Knacken, mit dem eine Getränkedose aufgerissen wird, und schmeckt das
Rinderfilet, das Cormoran sich in einem überteuerten Edelrestaurant in Mayfair
bestellt hat. Das macht die Lektüre zu einem authentischen Erlebnis, das den
Leser regelrecht in sich aufsaugt.
Die Ernte des Bösen ist ein intelligent konstruierter, spannender und
handwerklich gekonnter Kriminalroman, den ich mit Genuss und Gewinn gelesen
habe.
Robert Galbraith: Die Ernte des Bösen, blanvalet, 661 Seiten
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