„Hessen zeigt Kultur“, so
heißt eine Veranstaltungsreihe der Hessischen Landesvertretung in Berlin, bei
der in loser Folge hessische Autoren und ihre Werke vorgestellt werden. Mit
Thomas Hettche, dem Verfasser des Romans Pfaueninsel,
war diesmal ein besonders prominenter Gast eingeladen, der erwartungsgemäß für einen
vollen Saal sorgte. Moderiert wurde der Abend charmant, wenn auch gelegentlich
etwas stockend von der Literaturkritikerin Verena Auffermann.
Das Thema der
Körperlichkeit, so Auffermanns Einstieg in das Gespräch, ziehe sich als roter
Faden durch Hettches Gesamtwerk. Auch in Pfaueninsel
spielt der Körper mit seinen Versprechungen, Bedürfnissen und Schwächen eine
zentrale Rolle. Schließlich ist die Protagonistin Marie eine Kleinwüchsige. Sie
unterscheidet sich also (nicht nur körperlich) von ihrem gesamten höfischen
Umfeld und stößt im Verlaufe ihrer wechselvollen Biografie oft an ihre Grenzen.
Ungewöhnlich für Hettches
Oeuvre ist dagegen das Genre des historischen Romans. Darauf sei seine Wahl nur
gefallen, weil er so das Motiv und die Geschichte bestmöglich habe vermitteln
können, erklärte der 51-Jährige und fügte mit verschmitztem Lächeln hinzu: „Für
einen Künstler ist die Gattung so unwichtig wie für einen Vogel der
Ornithologe.“
Eine Vielzahl von Themen
hat der in Hessen geborene Autor in die Lebensgeschichte Marie Strakons
eingeflochten. Natürlich geht es um Außenseitertum und soziale Akzeptanz, aber
auch um die Landschaftsgärtnerei und den Wunsch nach Exotik, um verschmähte,
hoffnungslose und unerwiderte Liebe, die, wie der Autor sagt, in direktem
Zusammenhang mit dem Schönheitsbegriff zu sehen ist, und immer wieder um das
Werden, die Vergänglichkeit und das Bleibende.
Fiktion und Authentizität
sind in Hettches Pfaueninsel eine vielgestaltige,
facettenreiche Verbindung eingegangen, ohne dass Nahtstellen zu erkennen wären.
So ist das Grabmal der Maria Dorothea Strakon bis heute erhalten, und viele der
Romanfiguren – von der Königin Luise bis zum Landschaftsgärtner Lenné – sind historische
Persönlichkeiten. Doch wer die Pfaueninsel besucht, um die konkreten
Schauplätze zu besichtigen, wird vergebens suchen, was nur zum Teil daran
liegt, dass sie neuen landwirtschaftlichen Konzepten weichen mussten.
Natürlich hat Hettche selbst
unzählige Ausflüge zur Pfaueninsel unternommen, meist mit seinen beiden Kindern,
und den von Verena Auffermann als misstönend beschriebenen Schrei dieser Tiere
findet er gar nicht so unangenehm, sondern eher interessant: „Das klingt so,
als käme es aus einem sehr tiefen Raum.“
Zwei Textpassagen stellte
der mehrfach ausgezeichnete Autor an diesem Abend vor. Neben dem Anfangskapitel
las er auch jene Szene mit Marie und dem Koch, der für sie ein exquisites Menü
zubereitet. Diese Begegnung habe er eigens konstruiert, um Marie auch einmal in
die Stadt Berlin zu führen, erklärte Hettche augenzwinkernd. Der
Detailreichtum, mit dem die Zutaten und Speisen des Liebesmahls geschildert
werden, wirkte unvermeidlich appetitanregend, und so kam es wohl den meisten
Zuhörern sehr gelegen, dass sie die knurrenden Mägen beim anschließenden
Empfang mit hessischen Spezialitäten füllen konnten.
Thomas Hettche: Pfaueninsel, Kiepenheuer & Witsch, 352 Seiten, 19,90 Euro
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